Die Townships von Kapstadt und die Flüchtlingslager von Jordanien sind Welten entfernt von Hollywoods rotem Teppich und dem Weißen Haus in Washington. Doch die Juwelierin Kara Ross ist glücklich, mit ihrem neuen Unternehmen Unleashed den Glamour gegen Schmutz getauscht zu haben, wie sie Laura Archer erzählt hat.

 

Die ausgebildete Gemmologin Kara Ross stellt seit 25 Jahren edlen Schmuck her. Ihre preisgekrönten Designs werden von Prominenten wie Kate Hudson oder Oprah Winfrey getragen. Ross, die bekannt dafür ist, natürliche Materialien mit edlen Metallen zu kombinieren, wurde von Michelle Obama beauftragt, hölzerne Armbänder zu entwerfen. Als Material sollten abgefallene Äste des Magnolienbaums auf dem Rasen des Weißen Hauses dienen, damit die First Lady sie Staatsoberhäuptern schenken konnte, die zu Besuch kamen. Doch es war die Zusammenarbeit mit benachteiligten Frauen in Südafrika, die Ross zu ihrem Richtungswechsel inspirierte. Als ihr klar wurde, wie viel ungenutztes Talent in den verarmten und kriegsversehrten Ecken der Welt schlummerte, gründete sie Unleashed, eine Non-Profit-Organisation. Ziel ist es, weiblichen Kunsthandwerkern eine globale Plattform zu bieten, auf der sie sich präsentieren können. Ross sprach mit uns bei der Art Basel Miami, wo sie Unleashed promotete.
 

Sie sind eine äußerst erfolgreiche Schmuckdesignerin – was erweckte in Ihnen den Wunsch, im Wohltätigkeitsbereich zu arbeiten?

 

Ich habe über 25 Jahre lang Schmuck entworfen und mir damit eine Karriere aufgebaut – auf die ich sehr stolz bin. Ich habe mich immer als Handwerkerin gesehen. Ich liebe Dinge, die handgemacht und einzigartig sind. Ich fasste dann den Beschluss, dass es an der Zeit sei, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, und wollte mich auf andere talentierte Handwerker konzentrieren, vor allem Frauen in schwierigen Situationen, deren Stimmen kein Gehör finden. Ich wollte ihnen helfen, ihre Geschichte zu erzählen. Es ist interessant zu wissen, wie Dinge gemacht werden und wer sie gemacht hat – darauf achten die Menschen heutzutage.

Sie sagen, dass es ein Interesse von Kunden gibt, mehr über die Herkunft der Produkte  zu erfahren, die sie kaufen. Glauben Sie, wir haben damit einen Punkt erreicht, an dem Hersteller ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden müssen?

 

Absolut. Im Augenblick nehme ich einen gewissen Widerstand gegen billig produzierte Mode wahr. Handwerk ist die Antithese von Billigmode. Es geht darum, die Hände zu benutzen, um etwas zu erschaffen. Es geht um Individualität und Einzigartigkeit.

 

Sie produzieren eine Reihe von Filmen mit dem Titel „Verbindende Fäden“ über die Kunsthandwerkerinnen, die Sie durch Unleashed kennengelernt haben. Was ist die Idee dahinter?

 

Oft findet man in ländlichen Gegenden Frauen, die ihre Kunst und ihr Handwerk nutzen, um ihre Kinder zu ernähren und auszubilden – sie verdienen die Brötchen in der Familie. Wir wollten ihre Geschichten erzählen, und der erste Film unserer Reihe wurde vor etwa zwei Monaten in Indien gedreht. Wir hatten eine oscarnominierte Regisseurin, Amy Berg, und mit Sloane Klevin eine Cutterin, die einen Emmy gewonnen hat. Wir wollen erstklassige Filme drehen, die wir dann bei Festivals einreichen können – wie den über Indien beim Tribeca Film Festival. Wir haben uns zudem mit der Mediengesellschaft Refinery29 zusammengetan, um die Filme online zu zeigen, zusammen mit einigen anderen Berichten. Refinery29 erhält jeden Monat über 580 Millionen Unique Views. Das Potenzial ist überwältigend. Ich würde gern sechs Filme im Jahr machen. Aktuell plane ich zwei in New York und je einen in Detroit, Jordanien, Mexiko und Brasilien. Für New York haben wir eine Regisseurin engagiert, die den Ehrenpreis der Academy erhalten hat – den Film werden wir beim Sundance Film Festival zeigen. Wenn man anfängt, mit den Leuten darüber zu sprechen, sagen sie immer: „Oh mein Gott, du musst mit einer Freundin von mir sprechen, die mit Frauen in Bolivien arbeitet. Oder mit jener Person, die mit Frauen in Haiti arbeitet.“ Ich treffe mich tatsächlich mit jemandem, der mit einem Kollektiv in Bolivien zusammenarbeitet. Diese Gruppen von Frauen gibt es überall auf der Welt, es wird also nicht schwierig sein, sie zu finden.

 

Der Film handelt von Gudia, die ihr Dorf verlässt, um zu erleben, wie ihre Entwürfe auf der India Fashion Week präsentiert werden – das muss ein toller Augenblick gewesen sein.

 

Ja. Wir trafen Gudia das erste Mal in ihrem Dorf, in dem es kein fließendes Wasser und keinen Strom gibt. Sie war noch nie woanders gewesen. Sie wusste nicht, wie alt sie war, weil sie nie in der Schule war und nicht lesen konnte. Es war sehr mutig von ihr, mit uns nach Delhi zur Fashion Week zu fahren. Als sie das Hotel betrat, klappte ihr der Kiefer buchstäblich runter. Am Empfangstresen wusste sie nicht, wie sie ihren Namen schreiben soll – sie musste ein X machen. Mitzuerleben, wie sie es von dort bis auf den Laufsteg schaffte, war ein mitreißendes Erlebnis.

 

Welche praktischen Hilfen bietet Unleashed den Frauen?

 

Wir arbeiten inzwischen mit einer Firma namens Novica zusammen, was das Äquivalent des Online-Marktplatzes Etsy ist, aber für Kunsthandwerker. Also im Augenblick stellt Novica die Arbeiten aller Künstler, mit denen wir an verschiedenen Orten arbeiten, online. Die Künstler bekommen auf diese Weise Marktpräsenz. Die zweite Sache, die wir tun, ist, den Frauen Kapital zu verschaffen. Wir verwenden eine internationale Plattform für Mikrokredite namens Kiva, die es Menschen ermöglicht, auszuwählen, wie viel sie wem spenden wollen. Sie können auf die Website gehen und das Kurzporträt der Person lesen und wofür sie das Geld benötigt. Wenn also zum Beispiel eine Frau Geld braucht, um Garn zu kaufen, mit dem sie ihre Kaftans herstellt, dann erfahren Sie dort davon, sehen ihr Foto und investieren in ihr Geschäft. Die durchschnittliche Kredithöhe liegt zwischen 170 und 250 Euro. Ich habe 15.000 Dollar in Rajasthan investiert, woraus dann 30.000 Pfund wurden, als weitere Leute über Kiva investiert haben. Wir haben über 100 Frauen, deren kleine Unternehmen von diesen Krediten profitieren. Die Idee hinter Unleashed ruht also auf drei Pfeilern: Einmal bieten wir Zugang zu Investitionen. Dann erschaffen wir einen Marktplatz. Und wir erzählen die Geschichten dieser Frauen, verstärken dadurch unsere Botschaft, sorgen dafür, dass mehr Menschen von ihnen hören, und schaffen neue Jobs.

Verkauft Unleashed ebenfalls Produkte?

 

Das haben wir zu Beginn getan – wir haben den indischen Bindi als Design-Inspiration für diese wunderschönen, bunten, runden Muster genommen, die wir dann auf einem speziellen T-Shirt-Design aus organischer, nachhaltiger Baumwolle benutzt haben. Die Frauen in Indien haben die ganzen Stickereien angefertigt, und sie wurden bei Lord & Taylor, Bloomingdale’s und online bei Maison de Mode verkauft. In Zukunft konzentrieren wir uns darauf, die Produkte der Frauen in unseren Filmen zu präsentieren und ihnen zu helfen, sie direkt an die Kunden zu verkaufen.

 

Worauf freuen Sie sich am meisten mit Unleashed?

 

Ich kann es gar nicht erwarten, all diese Gruppen wundervoller Kunsthandwerkerinnen zu entdecken und ihre Geschichten zu erzählen.

 

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