Wer verreist, kennt Gebr. Heinemann von Flughäfen oder Kreuzfahrtschiffen. Geführt wird das Unternehmen in vierter und fünfter Generation von Claus und seinem Vetter Gunnar sowie dessen Sohn Max Heinemann.
Das 1879 gegründete Unternehmen entwickelte sich über fünf Generationen zu einem der bedeutendsten Einzelhändler und Distributeure auf dem Reisemarkt. 40 Millionen Menschen kaufen jährlich in ihren Shops auf Flughäfen oder Kreuzfahrtschiffen ein. Von der HafenCity in Hamburg aus ist Gebr. Heinemann in mehr als 100 Ländern weltweit tätig.
WERTE: Meine Herren, wo sehen Sie die Unterschiede zwischen Aktiengesellschaften und Familienunternehmen?
GH: Wir glauben, dass Familienunternehmen einfach schneller sind. Dass sie langfristiger denken. Wenn man an der Börse notiert ist, muss man ein Quartalsergebnis kommunizieren. Das kann zu kurzfristig gedachter Strategie führen. So etwas kennen wir gar nicht. Wir betreiben auch keine kurzfristige Gewinnoptimierung. Wir wissen, dass wir der Firma längerfristig eine Perspektive geben müssen.
CH: Uns interessiert nur zweitrangig, wie dieses Jahr gerade verläuft. Familienunternehmen denken in Generationen, nicht in Quartalen. Unsere Branche ist volatil durch externe Faktoren wie Streiks oder geopolitische Entwicklungen, die das Reiseverhalten der Menschen beeinflussen. Wir denken über die Aktualität hinaus in die Zukunft.
WERTE: Wann haben Sie, Max, gewusst, dass Sie in das Familienunternehmen gehen? War das ein vorgezeichneter Weg, oder hätten Sie auch etwas anderes machen können?
MH: Ich hätte auch was anderes machen dürfen. Ein Muss hat es nicht gegeben. Das gab es bei uns nicht, und das wird es auch nie geben. Das ist einer unserer Erfolgsfaktoren: dass man sich Chancen bewahrt. Ich habe nach dem Abitur überhaupt nicht gewusst, was ich machen will. Ich wurde von meinem Vater und meinem Onkel gefragt, ob ich nicht mal sechs Monate ins Unternehmen kommen will. Einfach mal, um zu sehen, ob es mir gefallen würde. Und da gab es von Anfang an die Ansage, wenn es mir nicht gefällt, dann ist es für beide Seiten das Beste, wenn man nicht bleibt. Das ist mir in Erinnerung geblieben. Das werde ich mir auch für die nächste Generation merken. Es ist immer wichtig, dass es für einen persönlich passt.
GH: Ja, von beiden Seiten …
MH: Mit Leidenschaft und auch im Vorstellungsvermögen. Und mit verhältnismäßig wenig Druck. Das war ganz wichtig. Ich habe damals bereits nach sechs Wochen festgestellt, dass es für mich gut passen könnte.
CH: In nur sechs Wochen hat er die Firma lieben gelernt.
GH: Ich weiß noch, wie du in mein Büro gekommen bist und gesagt hast, dass das ja ein toller Laden sei.
MH: Die Entscheidung hatte vor allem mit der Kultur und den Menschen zu tun, die ich in der Zeit kennengelernt habe. Ob auf Seiten der Kunden, der Lieferanten oder der Mitarbeiter. Es herrscht eine extrem spannende Kultur, ein echtes Miteinander. Da habe ich mir gesagt, dass das etwas ist, wofür sich das Engagement aus Familiensicht lohnt. Dafür zu stehen, dass man das weiterführt. Ich wusste, dass ich mich hier wohlfühlen werde und das auch weitertragen möchte.
"Unsere Väter haben uns erzogen, das über allem die Firma steht..."
Gunnar Heinemann
WERTE: Und wenn er damals gesagt hätte, dass er doch lieber Produktdesigner werden möchte?
GH: Dann wären wir einen anderen Weg gegangen.
CH: Es gibt bei uns ja auch noch den anderen Familienstamm. Da sind es drei Frauen, die in Frage kommen. Aber aus jedem Stamm darf eben nur maximal einer in die Geschäftsleitung. Die beiden Töchter meiner Schwester haben sich aus unterschiedlichen Gründen dagegen entschieden. Und meine Tochter ist erst 23 und macht gerade ihren Master in BWL.
WERTE: Das innerfamiliäre Zusammenarbeiten, also diese beiden Stämme, wie Sie das nennen, das hat sich über die Jahre bewährt?
GH: Einhundertprozentig.
CH: Darüber sind wir sehr glücklich. Es herrscht große Harmonie in der Familie, auch unter den Cousins und Cousinen der nächsten Generation. Toi, toi, toi.
GH: Das ist ein großer Glücksfall. Aber es war immer schon so bei uns. Es hat ja die zwei Stämme seit der zweiten Generation gegeben. Die waren immer auf gutem Fuß miteinander.
WERTE: Wie regeln Sie Konflikte?
GH: Indem man sich zusammensetzt, lange diskutiert und dann zu einem Ergebnis kommt. Dann steigt weißer Rauch auf, und man sagt: Wir haben ein Ergebnis!
CH: Mein Vetter und ich arbeiten seit vierzig Jahren zusammen. Wir hatten häufig mal unterschiedliche Meinungen. Das haben wir dann ausgetragen. Dritte haben das aber nie mitbekommen.
WERTE: Und wie ist das in der neuen Konstellation zu dritt? Hat da einer von Ihnen das letzte Wort?
MH: Das ist im Moment sehr spannend für uns. Wir haben die letzten zehn Jahre, die ich zwar schon in der Firma war, gar nicht so eng miteinander gearbeitet. Ich war in Singapur, um dort unser Tochterunternehmen aufzubauen. Jetzt, da wir enger zusammenarbeiten, lernen wir täglich etwas über die Zusammenarbeit dazu. Wenn es irgendwelche Themen, Kritik oder Diskussionen gibt, dann wissen wir, welche drei Räume zu betreten sind und welche Türen man hinter sich schließt, um das zu diskutieren. Das alles hat viel mit Grundvertrauen zu tun, das mir in meiner Tätigkeit und Verantwortung hundertprozentig entgegengebracht wird. So oft sehen wir uns gar nicht, obwohl wir im gleichen Gebäude sitzen. Aber wir suchen immer wieder den Weg zueinander und haben oft spontane Besprechungen.
WERTE: Haben Sie eine Arbeitsteilung vereinbart
CH: : Bei uns gab es früher keine richtige Aufteilung. Aber da war die Firma auch noch nicht so komplex wie heute. Jetzt sind wir viel strukturierter. Max hat eine klar umrissene Aufgabe, auch im Verhältnis zur externen Geschäftsleitung.
GH: Durch seine Zeit in Singapur und den Aufbau des Markts in Asien hatte Max auch die Gelegenheit, von außen auf das Mutterhaus zu schauen und viele neue Erkenntnisse zu gewinnen. Daher haben wir ihn eines Tages gebeten, die Struktur der Firma zu untersuchen und gegebenenfalls eine neue zu erarbeiten. Und das hat er auch getan.
MH: Wir haben etwas Logisches zu erarbeiten geschafft, dann ab einem Punkt sehr intensiv alle gemeinsam an diesem Konstrukt herumgefeilt. Das war wie ein Designprozess. Dieses Herumfeilen und Tüfteln an etwas, bis es in sich stimmig ist, das liegt mir. Heute haben wir als „Produkt“ eine moderne C-Level-Struktur. Insofern ist meine einstige Überlegung, Produktdesign studieren zu wollen, wohl gar nicht so abwegig gewesen.
CH: Es war für uns zudem selbstverständlich, dass ein Familienmitglied innerhalb der Geschäftsleitung den Bereich Human Resources übernimmt, um damit auch die Bedeutung im Unternehmen zu dokumentieren. Das beantwortet auch noch die Eingangsfrage: Dass einem die Mitarbeiter besonders am Herzen liegen, zeichnet ein Familienunternehmen aus. Die Mitarbeiter sind unser höchstes Gut, die Basis unseres Erfolges.
WERTE: Ein Thema in vielen Unternehmen ist die Work-Life-Balance. Das verstehen Ältere mitunter nicht, Jüngeren ist das sehr wichtig. Wie stehen Sie dazu?
GH: In der heutigen Generation hat die Familie einen viel höheren Stellenwert, als es früher bei uns gewesen ist. Unsere Väter haben uns so erzogen, dass über allem die Firma steht. Heute ist das ausgeglichen.
MH: Ich gehe damit sehr transparent um, versuche Firma und Zuhause auszubalancieren. Man lernt übrigens enorm viel dabei, wenn man immer wieder überlegen muss, was man priorisiert. Wenn wir im Unternehmen weiterhin Talente fördern und ausbilden wollen, dann müssen wir da auch flexibel sein.
"Loslassen ist die größte Aufgabe auf dem Weg zum Ende einer beruflichen Karriere."
Claus Heinemann
WERTE: Wie wichtig ist das Loslassen? Gibt es einen definierten Zeitpunkt, wo Sie sagen, jetzt lassen
wir Max alleine?
CH: Ich gebe zu, es fällt nicht leicht, sich aus dem aktiven Geschäftsleben zurückzuziehen. Das Vertrauen, das wir in Max haben, rechtfertigt aber ein Loslassen. Wir hätten ein Problem, wenn er nicht so gut performen würde.
MH:Es gibt von mir keinen Druck, dass ihr loslassen müsst. Ich fände es viel zu langweilig, wenn die beiden morgen sagen würden, dass sie nur noch selten kommen. Mal davon abgesehen, dass wir jetzt überhaupt erst die Chance haben zusammenzuarbeiten. Wir sprechen auch nicht vom Wechsel, sondern vom Generationsübergang. Das klingt realistischer.
GH: Mir fällt das Loslassen leichter. Leichter als meinem Vetter. Seine Tochter, die voraussichtlich in die Firma kommt, ist ja noch nicht da. Mein Sohn ist es schon seit zehn Jahren. Ich merke dadurch viel stärker, dass ich die Vergangenheit bin, auf jeden Fall nicht mehr die Zukunft. Wenn ich Max beobachte und sehe, wie gut er das macht, was sollte mir dann noch im Wege stehen, ein guter Loslasser zu sein?
CH: Dieses Loslassen ist die größte Aufgabe auf dem Weg zum Ende einer beruflichen Karriere. Das ist noch einmal ein richtig anstrengender Schritt. Man hat ja mit großer Leidenschaft für die Firma gearbeitet – und mit der Firma.
WERTE: Was bewundern Sie aneinander?
MH: Von meinem Vater habe ich von klein auf lernen können, dass Vertrauen und Großzügigkeit eine gute Kultur schaffen. Das spürt man im ganzen Unternehmen. Und ich habe sehr schnell gelernt, dass mein Onkel da nicht anders ist.
GH: Ich habe bei meinem Sohn beobachtet, dass er gegebenenfalls weniger emotional ist als ich. Max entscheidet rationaler. Das bewundere ich.
CH: Mein Vetter ist mein bester Freund. Wir haben eine große Harmonie in den vierzig Jahren der Zusammenarbeit gehabt. Aber er ist auch kompromissbereiter als ich. An Max bewundere ich, wie strukturiert er ist. Er hat die Schwächen der Firma von außen gesehen und bringt jetzt jede Menge frischen Input hinein.
Dieser Artikel erschien erstmals in der Mai-Ausgabe 2020 von WERTE, dem Kundenmagazin der Deutsche Bank Wealth Management. Lesen Sie hier mehr aus dem Magazin werte.com.
Unternehmensprofil: Gebr. Heinemann
Das 1879 gegründete Unternehmen entwickelte sich über fünf Generationen zu einem der bedeutendsten Einzelhändler und Distributeure auf dem Reisemarkt. 40 Millionen Menschen kaufen jährlich in ihren Shops auf Flughäfen oder Kreuzfahrtschiffen ein. Von der HafenCity in Hamburg aus ist Gebr. Heinemann in mehr als 100 Ländern weltweit tätig.