Welche Rolle spielen Banken als Treiber der wirtschaftlichen Transformation in Richtung Nachhaltigkeit? Und wie könnte die Arbeit mit der Natur die Antworten liefern? Das erklären Muriel Danis und Markus Müller in dieser Fortsetzung eines Interviews von WERTE #26.
Dies ist die Fortsetzung zum ersten Teil des Interviews, der exklusiv in unserem Kundenmagazin WERTE #26 erschienen ist.
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Tim Farin: Die Deutsche Bank ist Gründungsmitglied der Net Zero Banking Alliance. Interessanterweise arbeiten Banken in einem internationalen öffentlichen Rahmen zusammen. Sollten sie nicht eher miteinander im Wettbewerb stehen?
Markus Müller: Kooperationen sind gerade auch im Hinblick auf nötige Veränderungen wesentlich effektiver als Wettbewerb. Die von Mark Carney bereits vor der UN-Klimakonferenz in Glasgow ins Leben gerufene Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) war dafür ein Auslöser. Als Banken brauchen wir eine Plattform, über die wir Wissen, Best Practices und Informationen zu Misserfolgen austauschen können. Unser Ziel ist es, zu einem Wirtschaftsmodell zu finden, dass ESG-Kriterien berücksichtigt. Für die Gesellschaft steht viel auf dem Spiel. Es muss uns deshalb gelingen, kollektiv und nach gemeinsamen Spielregeln zu handeln. Wir wissen beispielsweise, dass 70 Prozent unseres CO2-Fußabdrucks von nur einem Prozent der Unternehmen in unserer Bilanz herrühren. Wie können wir diese Unternehmen dekarbonisieren? Darüber müssen wir sprechen. Als Banken kommt uns eine Verantwortung zu, die Zusammenarbeit erfordert.
Was bewirkt die Mitgliedschaft der Deutschen Bank bei der ORRAA?
Markus Müller: Die ORRAA bringt Regierungen wie Kanada oder Großbritannien sowie Unternehmen wie AXA und uns selbst als führendes Finanzinstitut an einen Tisch. Verschiedene, im Bereich Meeres- und Naturschutz aktive NGOs sind ebenfalls Mitglied. Von dieser Konstellation profitieren alle. Denn bei aller Verschiedenheit eint uns doch ein gemeinsames Ziel: die Ozeane zu schützen. Für uns ist es zudem eine Frage des Geschäftserhalts, denn die überwiegende Mehrheit der Unternehmen ist auf die ein oder andere Weise von den Ozeanen abhängig. Sie wissen es nur nicht.
Muriel Danis: Die ORRAA eröffnet den Mitgliedern ihres Netzwerks den Zugang zu dringend benötigten Finanzströmen. Hier kommen wir ins Spiel. Es kommt jetzt darauf an, Partner und Projekte zu finanzieren, die die für uns alle so wichtige Artenvielfalt der Ozeane erhalten. Die ORRAA hat eine Finanzierungsfazilität eingerichtet, mit dem Ziel, die Natur als Wirtschaftsfaktor im Rahmen von „Blue Economy“-Initiativen zu fördern.
Es kommt jetzt darauf an, Partner und Projekte zu finanzieren, die die für uns alle so wichtige Artenvielfalt der Ozeane erhalten.
Muriel Danis
Die ORRAA ist nur ein Beispiel für eine auf den Erhalt der Artenvielfalt ausgerichtete Initiative. Wie können wir den Faktor Biodiversität besser in das Bankwesen integrieren?
Markus Müller: Viele Finanzakteure betonen gerne ihr diversifiziertes Angebot. Dabei liegen die wahren Wurzeln der Diversität in der Natur begründet. Auch hier möchte ich wieder den Vergleich der Natur als Wirtschaftsfaktor bemühen. Artenvielfalt begegnet uns im natürlichen Reichtum der Wälder, der Ozeane oder der Süßwasserspeicher. Indem wir diese natürlichen Ressourcen schützen, schützen wir auch die Arten. Die Naturkapitalbilanzierung hilft uns, besser zu verstehen, dass die Gefährdung unserer natürlichen Ressourcen nicht nur zu einer Abnahme der Artenvielfalt führt, sondern auch eine Bedrohung für unsere Wirtschaft darstellt. Ich bin davon überzeugt, dass wir unsere Kompetenz im Bereich Biodiversität ausbauen müssen. Mit diesem Wissen ausgerüstet können wir beweisen, dass eine unzureichend umgesetzte Biodiversitätspolitik zu umfangreichen finanziellen Verlusten führen kann. So konnten wir in Zusammenarbeit mit der Universität Cambridge zeigen, dass Düngemittelhersteller, die die Anforderungen der Farm-to-Fork-Strategie der EU nicht erfüllen, sich einem immensen Risiko aussetzen.
Muriel Danis: Eine Übersetzung der Biodiversitätsanforderungen in Anlageprodukte ist jedoch durchaus mit Herausforderungen verbunden. Wir stehen hier gerade erst am Anfang der Entwicklung. Markus und mein Team stehen in einem kontinuierlichen Austausch, um zu verstehen, wie wir den Aspekt der Biodiversität zum Vorteil unserer Kunden integrieren können. Dazu müssen wir die Märkte entlang des gesamten Investitionsspektrums im Blick behalten. Wir agieren in diesem Zusammenhang üblicherweise in privaten Märkten oder mit Unternehmen in der Anfangsphase mit einem erhöhten Risikopotenzial. Das bedeutet, dass wir die Nachhaltigkeitspräferenzen mit den Risikoprofilen unserer Kunden abgleichen müssen. Wir werden diesen verstärkten Fokus auf Biodiversität somit nur schrittweise umsetzen können.
Muriel Danis
Muriel Danis ist Leiterin Produktplattformen und nachhaltige Lösungen bei der Deutschen Bank. In ihrer Rolle ist Danis für die kontinuierliche Entwicklung der Produktund Dienstleistungsplattformen der Internationalen Privatkundenbank verantwortlich. Danis kam im März 2022 zur Deutschen Bank und bringt mehr als 22 Jahre Berufserfahrung am Kapitalmarkt mit. Zuletzt arbeitete sie bei HSBC in London als Leiterin der globalen Betriebsorganisation des Bereichs Wealth Management Products & Investment Groups.
Markus Müller
Markus Müller ist seit Juli 2022 neben seiner Rolle als Leiter des CIO Office der Privatkundenbank auch als ESG-Chefanlagestratege für die Deutsche Bank tätig. Müller hat an der Universität Münster studiert und war Gastwissenschaftler an der Frankfurt School of Finance, der Universität Bayreuth sowie der Banken- und Finanzakademie der Republik Usbekistan. Müller hat bereits zahlreiche Artikel und Bücher zum Thema ESG und wirtschaftlicher Wandel veröffentlicht.